Synopsis:
Am 26. Oktober 1894 wurde Caprivi entlassen. Wilhelm berief erstmals
einen Nichtpreußen, den bayrischen Fürsten Chlodwig zu
Hohenlohe-Schillingsfürst. Er sollte anders als seine beiden Vorgänger
keinen Führungsehrgeiz entwickeln.
1895 wurden der
Kaiser-Wilhelm-Kanal, heute Nord-Ostsee-Kanal fertiggestellt und die
Marinehäfen Kiel und Wilhelmshaven ausgebaut. In diesem Zusammenhang
besetzte und pachtete das Deutsche Reich die chinesische Hafenstadt
Tsingtao auf 99 Jahre. Wilhelm erkannte trotz seiner
Englandfreundlichkeit nicht, dass damit die weltweite Hegemonialmacht
Großbritannien aufs Äußerste beunruhigt wurde. Der anhaltende deutsche
Kolonialismus -- gegen den Bismarck und Caprivi sich noch gewehrt hatten
-- wurde von ihm nicht als riskant gegenüber den Großmächten England,
Frankreich und Japan erkannt und gebilligt: 1899 erwarb das Reich die
Karolinen, Marianen, Palau und 1900 Westsamoa. 1896 versäumte
Hohenlohe-Schillingsfürst es, Wilhelm von der Krüger-Depesche
abzuhalten, einem Glückwunschtelegramm an die Buren zur Abwehr des
britischen Jameson Raid, die in Großbritannien mit Empörung aufgenommen
und nachhaltig als Abkehr von der englandfreundlichen Politik Caprivis
gedeutet wurde.
1900 ersetzte Wilhelm Hohenlohe durch Graf
Bernhard von Bülow, der als Reichskanzler weder die anstehenden
innenpolitischen Reformen betrieb noch die sich neu gruppierenden
außenpolitischen Konstellationen, in Deutschland als Einkreisungspolitik
empfunden, zu meistern vermochte. Das Verhältnis zu Frankreich wurde
nicht verbessert, England nun auch durch die Flottenpolitik
herausgefordert und Russland auf dem Balkan nicht gegen die
Österreichisch-Ungarische Monarchie unterstützt. Wilhelm vertraute
Bülow, der ihm nachhaltig zu schmeicheln wusste, lange, bis zur
Daily-Telegraph-Affäre 1908 und den Eulenburg-Prozessen.
Friedenspolitisch
ergriff Wilhelm II. erst 1905 eine Initiative: Im Sinne einer
Wiederannäherung an Russland, das gerade seinen Krieg gegen Japan zu
verlieren drohte, schloss er mit Nikolaus II. den Freundschaftsvertrag
von Björkö. Frankreich sollte einbezogen werden. Der Vertrag wurde
allerdings schon 1907 von Russland für gegenstandslos erklärt, weil er
mit der französisch-russischen Annäherung, die inzwischen stattgefunden
hatte, nicht vereinbar war.[8] Diese Annäherung hatte sich ergeben,
nachdem Wilhelm II. 1906 in der Ersten Marokkokrise durch seinen Besuch
in Tanger Frankreich herausgefordert hatte. Resultat war überdies eine
Verschlechterung der Beziehungen zu Japan, das bisher
Preußen/Deutschland als wissenschaftlichen und militärischen Lehrmeister
angesehen hatte.
1908 wurde Wilhelms Hilflosigkeit durch die
Daily-Telegraph-Affäre deutlich: Er beschwerte sich in einem Interview
mit der Zeitung über seine eigene Regierung -- sie sei nicht
englandfreundlich genug. Bismarck war ein Meister darin gewesen, seine
Politik medial zu flankieren. Bei Wilhelm II. dagegen sollte das
Interview und markige Reden die Politik ersetzen. Ein besonders
eklatantes Beispiel hatte der Kaiser mit der bereits am 27. Juli 1900 in
Bremerhaven gehaltenen Hunnenrede gegeben. Mit dem Daily
Telegraph-Interview fiel er nunmehr der Reichspolitik in den Rücken,
indem er darin erklärte, er sei ein guter „Beschützer Englands", hielte
er doch die anderen europäischen Mächte immer davor zurück, England zu
provozieren. Dies wurde in England als Ärgernis empfunden: Es ließe sich
von niemandem beschützen und empfand das Interview als Anmaßung.
Wilhelm knickte angesichts des deutschen Pressesturms ein und versprach,
sich künftig außen-, wie auch innenpolitisch zurückzuhalten.
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Einladung zu unserem kultur Programm in Wien
5 years ago
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